Bruckmeierhaus

Handwerk in Haimhausen: Das Bruckmeierhaus

ehemaliges Bauernhaus mit Gerberwerkstatt, früheres Jägerhaus und Ledererhaus
Dorfstraße 24

Das Jägerhaus
Ursprünglich wurde das Gebäude als Jägerhaus bezeichnet, denn hier wohnten ab 1660 die Schlossjäger, die sogar namentlich noch bekannt sind. 1660, 12 Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs, lebte hier Kaspar Glas, 1680 folgte Josef Weninger, 1694 Kaspar Kramer, 1697 Lorenz Werk und 1726 schließlich Ambrosius Müller. [1] Auf einem Kupferstich von Michael Wening, entstanden um 1700, ist das Jägerhaus in Form eines Schiffes abgebildet. Es steht auf einer kleinen Insel, die vom Mühlbach umflossen ist.

Kupferstich von Michael Wening: Schloß Haimbhausen mit dem Jägerhaus (rechts). Die Beschreibung Wenings unter der Nr. 23 lautet: „Daß Jägerhauß in formb eines Schiffs, mit Wasser umbrunnen“. „Umbrunnen“ bedeutet „umflossen“. [2] Auch ein Katasterplan von 1810 zeigt diese Insellage. 

Das Ledererhaus
Seit 1742 hieß das Haus „Beim Lederer“. Lederer ist die alte Bezeichnung für Gerber. Gerben ist ein uraltes, inzwischen fast ausgestorbenes Handwerk. Ein Gerber verarbeitet

  • Tierhäute ohne Haare zu Leder
  • Tierhäute mit Haaren zur Pelzzurichtung bzw. Pelzgerbung. [3]

Ein Gerber benötigt ein Gewässer [in unserem Fall den Mühlbach] zum Waschen der Tierfelle bzw. –häute. Dabei muss er aufpassen, dass er nicht das, was zur Redensart geworden ist, sieht: dass ihm „die Felle davonschwimmen“. Nach Art der verwendeten Gerbmittel unterscheidet man die

  • Lohgerber: Sie benötigten zur Bearbeitung zerkleinerte Rinden von Fichten, Eichen, Kiefern, Eicheln. In Wasser aufgelöst, ergab sich eine gerbsäurehaltige Brühe (Lohe), in der die Tierhäute, -felle bis zu einem Jahr gelagert wurden. In dieser Zeit erfolgte der Prozess der Umwandlung von der Tierhaut zu Leder. Dieses Leder eignete sich nach Prozeduren wie Spülung, Trocknung und Glättung für Sättel, Zaumzeug, Schuhe und Schuhsohlen. Es ist anzunehmen, dass in unserem Dorf die Bauern vor allem hierfür Verwendung hatten. 

Zweimal ist für das Lederer-Haus von Rotgerbern die Rede: Bei Martin Bauer (1825) und bei Josef Schmid (1909). [4] Rotgerber bezeichnete man jene Gerber, die die gerbsäurehaltige, rote und braune Brühe verwendeten, in der sich die Rinde von Eichen und Fichten befanden. Auch das Endprodukt Leder hatte dann eine rotbraune Farbe. 

  • Weißgerber: Durch die Verwendung von Alaun (Kalium-Aluminium-Salz) entstand feineres Leder, das vorwiegend für Jacken, Hosen und Handschuhe Verwendung fand.
  • Sämischgerber: Durch die Verwendung von Fett und Tran entstand robustes Leder für z.B. wasserabweisende Schuhe.

Der erste in Haimhausen namentlich bekannte Lederer war 1742 Christoph Kometer. Es folgten weitere Lederer, die das Wasser des Mühlbachs zum Waschen der Tierfelle nutzten. 1841 allerdings erfolgte eine große Veränderung:

Graf Theobald Butler ließ die Insellage beseitigen. Dazu gibt es in seiner handschriftlich verfassten Chronologie unter dem 30. Oktober 1841 lediglich einen dürren Satz: „Vollendung des Mühlbach-Durchstiches“ [5] Durch diese Maßnahme sollte das „hintere Wasser“ des Mühlbaches an der Mühle (heute Dorfstr. 32) reguliert werden. Durch diese Maßnahme verlor das Gebäude seine unkonventionelle Insellage. 

Theobald Sigmund Graf Butler-Haimhausen, Schloss-, Brauerei-, Gutsbesitzer von 1829 - 1867

Das Bruckmeierhaus
1844 übergab die Ledererwitwe Theresia Bauer das Anwesen ihrem Sohn Martin Schmid. Bis 1920 übten die Schmids hier das Gerberhandwerk aus. 1920 übergab Josefa Schmid ihrer Tochter Babette und deren Ehemann Alois Bruckmeier das Lederer-Anwesen mit der Hausnummer 4. (heute Nr. 24). [6] Alois Bruckmeier, geb. 1880, sollte der letzte Gerber unseres Dorfes sein. Dass er sich auf Pelzgerbung verstand, wird durch folgenden Ausschnitt eines Interviews mit Ursula Bergmann deutlich, das sich mit der Kriegs- und Nachkriegszeit in Haimhausen befasste: „Das abgezogene Fell [der Kaninchen] wurde zum alten Bruckmeier in die Gerberei gebracht. Dort wurde es gegerbt und präpariert. Wir haben für unsere kleine Tochter daraus beim Kürschner in Dachau einen kleinen Muff und ein kleines Bolero arbeiten lassen, eben warme Kleidung.“ [7] Rosalia Bruckmeier, gestorben 85-jährig 1999, verfügte als Letzte der „Bruckmeier-Dynastie“, dass der Verkaufspreis des Hauses sozialen Zwecken in Haimhausen zugutekommen sollte. Grund genug, der großzügigen Stifterin eine Straße im Baugebiet Schrammerweg zu widmen. 

Ledererswitwe Josefa Schmid (1853-1934) vererbte ihrer Tochter Babette (mittig) und deren Ehemann Alois (rechts) das Haus der ehem. Nr. 4

Josefas Tochter Babette

Alois Bruckmeier, Ehemann von Babette

Die Fassadenmalerei des Bruckmeierhauses durch Bernhard Kühlewein
Laut der Beschreibung des Baudenkmals Dorfstr. 24 durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gab es bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Bemalung der Fassade.[8]  Wann sie erneuert wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Um die 1950er Jahre war eine Bemalung, wie ein Foto aus dieser Zeit belegt, nur mehr schwach sichtbar. So entschloss sich Frau Bruckmeier um 1960, einen jungen Künstler mit der Fassadenmalerei zu beauftragen: Bernhard Kühlewein.

Bruckmeierhaus mit erneuerter, farbenfroher Fassade 

Bernhard Kühlewein wurde 1938 in München geboren und wuchs im Tegernseer Tal auf. Er studierte Malerei und Zeichnen an der Akademie der Bildenden Künste in München. Nach Beendigung seiner Studien absolvierte er eine zweijährige Lehrzeit im Maler- und Vergolder-Handwerk bei Reinhard Huber in Dachau. In dieser Zeit dürfte Kühlewein Haimhausen kennengelernt haben. Ab etwa 1960 wohnte er hier jahrelang, u. a. im Haus Dorfstraße 12, in dem sich das legendäre Künstlercafé der „Madame“ Schmidt befand. In dieser Zeit entstanden bis heute andauernde Freundschaften. Seit Jahrzehnten lebt Kühlewein als freischaffender akademischer Kunstmaler in der Nähe von Landshut. [9] Eine seiner ersten Arbeiten in Haimhausen war um 1960 die Fassadenmalerei am Bruckmeier-Haus, die er 1992 erneuerte. Auch in anderen Regionen Bayerns führte Kühlewein Wandmalerei-Aufträge aus, so u. a. eine 28 qm große Fläche an der niederbayerischen Schule in Rottenburg, ein 46 qm großes Wandgemälde in Oberkreuzberg im Bayerischen Wald und Wandmalereien in Regensburger Lokalen der Brauerei Thurn & Taxis. Im Oktober 2020 fand in der Kulturkneipe des Haimhauser Kulturkreises eine Ausstellung mit 24 Bildern Kühleweins statt. Zur Vernissage war der Künstler anwesend. Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler stellte in seiner Laudatio fest, dass Kühleweins Haimhausen-Aufenthalt der Start in ein seit fast 60 Jahren andauerndes freiberufliches Arbeiten gewesen sei. [10]

[1] Gerben – Wikipedia

[2] Deutsches Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm, online Version vom 13.11.2019

[3]  Gerben – Wikipedia und www.regionalmuseum.bfh.de, Dauerausstellung, Altes Handwerk, Gerberhandwerk, Stand 21.09.2023

[4] wie Anm. 1

[5] Theobald Graf Butler von Clonebough genannt Haimhausen, handschriftliche Erinnerungen von 1803 bis 1873, Chronologische Ereignisse, Ortsarchiv Haimhausen

[6] wie Anm. 1

[7] Interview mit Ursula Bergmann vom 20.05.2011, Ortsarchiv Haimhausen

[8] Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Regierungsbezirk Oberbayern, Landkreis Dachau, Gemeinde Haimhausen, Baudenkmal D-1-74-121-3

[9] https://www.bernhardkuehlewein (Lebenslauf) und Zwischen Spessart und Karwendel: Wohnungsbummel im Haus von Familie Kühlewein | ARD Mediathek

[10] 2020_Vernissage_Kuehlewein_4 (haimhauser-kulturkreis.de)